Leerstellen, eine Beschwörung
Performance und Fest der Geister
Premiere 13.5.25 | Zweite Vorstellung: 14.5.25
Wartburg Wiesbaden
„Es ist heilsam, einen Raum für das Fremde in sich freizuhalten. Das wäre ein Ausdruck von Freundlichkeit, die es auch möglich macht, dass man sich anders wird." Byun-Chul Han (Abwesen)
LEERSTELLEN, EINE BESCHWÖRUNG ist eine Performance und ein Fest der Geister. Zwischen Anwesenheit und Abwesenheit entsteht ein magischer Raum, in dem Gesten, Bewegungen, Worte und Töne wie fragmentarische Schwarz-Weiß-Fotografien aufblitzen, verblassen und Spuren hinterlassen.
Die Performance basiert auf der Auseinandersetzung mit Leerstellen in den (Familien)Biografien von Mareike Buchmann und Theresa Lawrenz. In ihrer gemeinsamen Arbeit beschwören die Künstlerinnen diese Leerräume, suchen in ihnen nach Magie und Möglichkeiten der Transformation. Sie üben sich im Spekulieren, erfinden Rituale des Ent-Leerens und berühren sachte die Ränder der Vergangenheit.
LEERSTELLEN, EINE BESCHWÖRUNG ist eine künstlerische Reflexion, in der sich Spuren von Erinnerungen, abwesende Personen und spekulierte Geschichten zu einer freundschaftlich-freundlichen Gegenwart verweben – in der Geister, das Eigene und das Gemeinsame aufeinandertreffen.
Die Performance ist zugleich eine Einladung, sich von den eigenen Erinnerungen beGeistern zu lassen.
LEERSTELLENBESCHWÖRUNG
Anrufung an die Ab-Wesen:
verlorene Stimmen,
vergessene Gesten,
flüchtige Erinnerungen.
Kontakt durch Entleerung:
Aushauchen.
Ausklopfen.
Ausschütteln.
Austönen.
Körper öffnen sich:
Zwischen Ich und Nicht-Ich,
zwischen Innen und Außen,
zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem,
zwischen damals, dann, jetzt,
zwischen Atem, Haut, Knochen und Berührung.
Da-Zwischen : die Ab-Wesen.
Verweilen:
In freundlicher Bleibe.
Knüpfen lose Fäden,
weben Fiktionen ins Fleisch.
Entweichen:
Zärtliches Echo, lautlose Spur.
Wir bleiben - verwandelt
Künstlerische Leitung, Performance, Texte: Mareike Buchmann
Performance, Objekte, Text: Theresa Lawrenz
Sound: Mirko Danihel
Outside eye: Robert Krajnik
Gefördert durch das Projektstipendium Freiraum im Rahmen der Internationalen Maifestspiele Wiesbaden, Kulturamt Wiesbaden.
Leerstellen, eine Recherche
In der Recherche geht es um meine sudentendeutsche Familiengeschichte, die für mich viele Leerstellen aufweist. Mich interessiert, wie wir etwas erinnern können, was fehlt, wie gemeinsame Erzählungen Erinnerungen schaffen und welches magische Potential in biografischen Leerstellen wohnt.
LEERSTELLEN (Aus dem noch wachsenden Textgewebe)
1 Definitionen
Eine Leerstelle bezeichnet einen Raum, in dem etwas fehlt, weggelassen wurde. In der literaturwissenschaftlichen Definition werden Leerstellen auch Nullpositionen oder Unbestimmtheitsstellen genannt.
Etwas Unbestimmtes kann etwas Ungreifbares sein, etwas Unvollendetes*, nicht genau Festgelegtes oder Definiertes.
Leerstellen sind Möglichkeitsräume, die gefüllt werden können.
Die Leerstelle, die meine Großmutter Ida markiert ermöglicht mir, vieles über sie zu denken.
Ich suche sie in den Leerstellen.
Ich suche mich in ihnen.
2 Briefe
Ich habe meine Großmutter Ida Buchmann, geboren 1924 als Ida Schubert, nie kennengelernt.
Sie hat mich nie kennengelernt.
Vor ein paar Jahren fand ich im Keller im Haus meines Vaters einen Stapel Briefe.
Briefe von Ida.
3 Leerstellenbeschörung. Eine Übung. Teil 1
Mich in die Leerstelle setzen.
Mich An-stelle setzen.
Aus der unbestimmten Stelle eine Bestimmung machen.
4 Listen
Die Kinder meiner Urgroßeltern Josef und Ida Schubert, heißen
Maria
Ida
Rudi
Hanni
Die Kinder meiner Urgroßeltern Pauline und Josef Buchmann, heißen
Oskar
Adolf
Fritz
Erna
Grete
Irma
5 Erinnerung
Erinnerung durch Sprache behaupten: "An das, was wir einmal versprachlicht haben, können wir uns viel leichter erinnern als an das, was nie zur Sprache gefunden
hat."**
Papa erzählt mir etwas, an das er sich plötzlich, beim Essen einer Süßspeiße erinnert.
Ich nehme die Erinnerung und setze sie in meinen Körper.
6 Biografie
Biografie märchenhaft dichten:
So könnte es gewesen sein, und ist vielleicht auch so gewesen.
7 Erinnerung verlebendigen
Ich backe die Süßspeise aus der Erinnerung meines Vaters.
*Reinhard Jirgl: Die Unvollendeten, München 2022.
**aus: Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 2018.
Die Recherche Leerstellen - eine Untersuchen wurde ermöglicht durch: #TakeHeart, gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.